NABU Berlin | Artenporträt: Deutsche Wespe (Vespula germanica) (2024)

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Unbeliebt, aber nützlich

Die weltweit verbreitete Deutsche Wespe (Vespula germanica) ist durch ihre charakteristische Zeichnung des Kopfschildes gut zu erkennen. Leider genießt sie meist - trotz ihres ökologischen Nutzens - einen schlechten Ruf.

NABU Berlin | Artenporträt: Deutsche Wespe (Vespula germanica) (1)

Deutsche Wespe an Fenchel - Foto: Helge May


Merkmale

Die wie der Großteil aller sozialen Wespenarten schwarzgelb gefärbte Deutsche Wespe (Vespula germanica) ist neben der Gemeinen Wespe (Vespula vulgaris) die häufigste bei uns beheimatete Wespenart und besitzt als typischer Vertreter der Kurzkopfwespen einen rundlichen Kopf, bei dem die Mandibeln direkt unter der Augenunterkante ansetzen. Hierdurch unterscheidet sie sich von der Schwestergruppe der Langkopfwespen, die einen deutlichen Abstand zwischen Augenunterkante und Kieferzangen aufweisen.

Die Königinnen der Deutschen Wespe erreichen eine Körperlänge von 17 bis 20 mm, die Arbeiterinnen und die Drohnen sind mit Körpermaßen von 12 bis 16 mm bzw. 13 bis 17 mm deutlich kleiner. Im Gegensatz zur Königin und zu den Arbeiterinnen tragen die Drohnen, wie bei den Bienen, keinen Wehrstachel und können nicht stechen. Eine Wespe stirbt, anders als die Biene, nicht nach dem Zustechen und kann den Stachel aufgrund eines fehlenden Widerhakens und einer kräftig ausgebildeten Stachelmuskulatur nach dem Stich wieder herausziehen und erneut einsetzen. Erkennbar ist die Deutsche Wespe insbesondere am charakteristischen gelben Kopfschild, auf dem sie einen Punkt oder auch drei Punkte trägt, sowie an ihrer hinter den Augen großflächig gelben Schläfenpartie (siehe Foto oben).

Verwechslungsgefahr besteht bei flüchtigerer Betrachtung gegebenenfalls mit der Gemeinen Wespe, die der Deutschen Wespe sowohl im Aussehen als auch im Nistverhalten ähnelt. Diese verwandte ebenfalls zu den Kurzkopfwespen zählende Art weist auf dem gelben Stirnschild statt Punkten jedoch eine breite, nach unten hin verdickte ankerförmige schwarze Zeichnung auf. Die Hinterleibszeichnungen beider Arten variieren dagegen zu stark, so dass sie keinen genauen Anhaltspunkt für eine sichere Bestimmung darstellen.


Verbreitung

Vespula germanica bei der Paarung - Foto. Rainer Altenkamp

Heutzutage ist Vespula germanica in den meisten Regionen der Erde vorzufinden. Ursprünglich ist die Art neben dem gesamten Bundesgebiet in fast ganz Europa mit Ausnahme des äußersten Nordens, in Nordafrika sowie in Nordostasien östlich bis nach Korea, Japan und der russischen Insel Sachalin und südlich bis nach Syrien, Iran, Nordindien, Mittel-China und Taiwan beheimatet. Durch die Folgen der Globalisierung findet man sie inzwischen allerdings auch in Nordamerika, im südlichen Südamerika, in Südafrika und auf Island, Ascension, Hawaii, Australien, Tasmanien und Neuseeland.


Lebensraum

Die sehr anpassungsfähige Wespenart kommt in fast allen Landschaftsformen vor und ist als typischer Kulturfolger nicht nur auf dem Land, sondern auch in Städten meist überall anzutreffen. Auch bei der Nistplatzwahl gilt die Art als ausgesprochen flexibel. Hierbei bevorzugt sie als sogenannter Dunkelhöhlenbrüter geschützte, warme und dunkle Standorte, meist unterirdisch im Erdboden, aber auch hinter Verschalungen und in Hohlräumen von Gebäuden. So findet man ihre Nester häufig verborgen in Dachböden, Rollladenkästen, Schuppen und Garagen sowie in Löchern von Maulfwurfs- und Mäusebauten. In nur äußerst seltenen Fällen nistet die Art auch frei und offen in hängenden Nestern.


Vorkommen und Lebensweise

V. germanica-Arbeiterin bei der Ernte von Holzfasern - Foto: Stephan Härtel

Die Vespula germanica ist eine staatenbildende soziale Wespenart, deren Zusammenleben arbeitsteilig organisiert ist. Die einzelnen Tiere übernehmen unterschiedliche Aufgaben wie Nestbau, Larvenfütterung, Zellensäuberung, Nahrungsbeschaffung oder Versorgung der Wespenkönigin. Als langzyklische Art bildet sie einjährige Staaten, die mit der Nestgründung durch die Königin ab Anfang April entstehen und meist bis Ende Oktober, in selteneren Fällen aber auch bis zum Ende des Jahres überdauern. Der Volkszusammenbruch ist hierbei stark von der Nestlage abhängig. An frostgeschützten Stellen sind die Nester häufig bis in den Dezember noch aktiv. In Regionen mit milderen Wintern, wie beispielsweise Kalifornien, Hawaii oder Neuseeland, in denen die Art erst durch den Menschen als Neozoon eingebracht wurde, sind sogar mehrjährige Nestzyklen mit mehreren Königinnen bekannt (siehe Exkurs unten).

Nach ihrer Winterruhe und erfolgreichen Nistplatzsuche beginnt die bereits im Vorjahr befruchtete Königin mit dem Bau des Nestes. Dafür nutzt sie morsche, fein zerraspelte und eingespeichelte Holzfasern. Das Nest ähnelt zunächst noch einem kleinen Lampenschirm und besteht aus einer zierlichen Wabe mit mehreren waagerecht nebeneinander angeordneten, sechseckigen Zellen in welche sie schließlich ihre ersten Eier ablegt. Aus diesen schlüpft ab Anfang Juni die erste Arbeiterinnen-Generation, die fortan die weitere Nahrungsversorgung der Königin und der Larven sowie den Hauptteil der Arbeiten zur Bildung des Insektenstaates übernehmen.

So entstehen im Laufe des Jahres Nester mit einem Durchmesser von mehr als 50 cm, versehen mit mehreren Eingängen, fünf bis sieben untereinander hängenden Waben und zahlreichen nach unten offenen muschelförmigen Lufttaschen. Im Gegensatz zu den Nestern der ähnlich nistenden Gemeinen Wespe, deren Nester ein helles, eher beiges Aussehen besitzen, sind die Nester der Deutschen Wespe eher grau gefärbt. So sind Nester mit einem Umfang von bis zu 2 m bekannt. Bei Platzbedarf werden die Nester gelegentlich in den geschützten Außenbereich hinaus erweitert und sind dann in der Form sehr variabel.

Innerhalb weniger Monate wächst der Wespenstaat auf mehrere Tausend Tiere an und erreicht gegen Ende August seinen Höhepunkt. Die Volksstärke beträgt meist 3.000 bis 4.000 Tiere, es sind aber auch Völker mit bis zu 8.000 Arbeiterinnen bei einer Gesamtzahl von mehr als 10.000 Individuen bekannt.

Ab Mitte August bis spätestens Ende Oktober schlüpfen dann schließlich auch die Geschlechtstiere und die Begattung der jungen Königinnen durch die Drohnen kann erfolgen. Nach dem Tod der alten Königin etwa Mitte September werden keine weiteren Eier mehr gelegt und das Absterben des Staates nimmt seinen Anfang. Nur die nun allmählich das Nest verlassenden und bestenfalls befruchteten Jungköniginnen werden in einem geeigneten Schlupfwinkel den Winter überdauern, um im nächsten Frühjahr erneut einen Wespenstaat zu gründen.


Das steht auf dem Speiseplan

Die Brut der Deutschen Wespe wird anfangs durch die Königin und später durch die Arbeiterinnen mit tierischem Eiweiß versorgt; hierzu dienen erbeutete und zu einem Brei zerkaute Insekten wie Mücken, Fliegen und Raupen. Die Königinnen, die Arbeiterinnen und die Drohnen ernähren sich überwiegend von pflanzlicher zuckerhaltiger Kost wie Blütennektar, süßen Pflanzensäften, überreifem Obst und Honigtau aber auch von Insekten, Fleisch und Aas.

Die Art ist neben der Gemeinen Wespe die einzige in Deutschland vorkommende soziale Wespenart, die ab ungefähr Mitte August, sobald sich die adulten Wespen nicht länger um die Brut kümmern müssen, verstärkt süße oder fleischhaltige Nahrungsmittel (Kuchen, Schinken u.a.) sucht und dadurch lästig werden kann. Da die Art auch an Aas geht, können ihre Stiche Krankheitserreger und Schimmelpilzsporen verbreiten und Infektionen auslösen, die häufig als Allergieanzeichen missgedeutet werden.


Bedeutung für unser Ökosystem

Deutsche Wespe frisst an Brombeere - Foto: Helge May

Die Deutsche Wespe ist eine von zwei Arten, die sich für den allgemeinen und nicht gerechtfertigten schlechten Ruf aller Wespen verantwortlich zeichnet. Es wird jedoch oft vergessen, welche wichtige Rolle die Wespe im Ökosystem erfüllt. So sind die Insekten zwar oft lästig, dienen gleichzeitig aber neben der Nahrungsgrundlage für andere Tiere sowie als Aasverwerter auch als natürlicher Bekämpfer von Schädlingen, wie z.B. Blattläusen und Mücken und sind somit maßgeblich bei der Eindämmung von Pflanzenkrankheiten mitverantwortlich. Darüber hinaus ernähren sich die Imagines der Deutsche Wespe, wie bei allen sozialen Wespen üblich, überwiegend von Blütennektar. Die Art besitzt zwar keine speziellen Sammel- und Transportvorrichtungen für Pollen, dennoch bleiben beim Blütenbesuch ausreichend Pollen in den Haaren hängen, um sie zu einem nützlichen und wichtigen Bestäuber zu machen. Sie bevorzugt nektarreiche Blütenarten deren Nektar leicht erreichbar ist, sind die Mundwerkzeuge im Vergleich zu denen der Bienen doch deutlich kürzer und weniger spezialisiert. Typische Pflanzen sind beispielsweise Gemeiner Efeu (Hedera helix), Braunwurz (Srophularia nodosa) und einige Doldengewächse (Apiaceae).


Gefährdung & Schutzstatus

Die in Deutschland sehr oft anzutreffende Deutsche Wespe gilt im gesamten Bundesgebiet als ungefährdet. Sie ist wie alle Wespenarten im Gegensatz zu anderen Hautflügler-Arten (u.a. Bienen, Hummeln, Hornissen) in Deutschland nicht nach der Bundesartenschutzverordnung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) besonders geschützt. Nach §39 des BNatSchG ist es allerdings allgemein verboten die Tiere ohne vernünftigen Grund zu verletzen, zu fangen oder zu töten.


Exkurs: Die Deutsche Wespe als invasive Art

Wespen-Erdnest - Foto: Helge May

Sowohl die Deutsche als auch die Gemeine Wespe sind bei uns natürlich vorkommende Wespenarten. In Regionen, wie z.B. Neuseeland sind sie dagegen ursprünglich nicht beheimatet und stellen als gebietsfremde und invasive Arten die dortigen Ökosysteme vor besondere Herausforderungen.

Die ersten Individuen der Deutschen Wespe gelangten vermutlich 1945 in Kisten mit Maschinenteilen auf die Nordinsel Neuseelands. Obwohl man die Gefahr für die einheimischen Ökosysteme erkannte und eine Ausbreitung der fremden Art durch Fangprämien einzudämmen versuchte, verbreitete sich die sehr anpassungsfähige Wespenart auch auf der Südinsel und vermehrte sich so zügig, dass man bereits drei Jahre später um die 118.000 Königinnen dokumentieren konnte. Ähnlich erfolgreich verbreitet sich seit den 1970er Jahren auch ihre Schwesternart, die Gemeine Wespe auf Neuseeland.

Ein Grund für diese schnelle und erfolgreiche Ansiedlung als invasive Art stellt neben ihrer generell hohen Anpassungsfähigkeit sicherlich auch eine im neubesiedelten Gebiet zu beobachtende bemerkenswerte Änderung ihrer Biologie dar. So dokumentierte man in Neuseeland seit den 1960er Jahren Kolonien mit mehrjährigen Nestzyklen und mit mehreren Königinnen, ein soziales System, das man in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet nur äußerst selten vorfindet. Die unmittelbaren Zusammenhänge, die diese Änderung der Wespenart in ihrer Biologie verursacht haben, sind noch nicht gänzlich erforscht. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass die im Vergleich zu ihren ursprünglichen Verbreitungsgebieten milderen Winter eine wesentliche Rolle spielen. Dies macht es möglich, dass die Nester auch den Winter hindurch aktiv bleiben und nicht alle Tiere absterben. So können mehrjährige, polygyne Kolonien entstehen, indem sich die Jungköniginnen im Herbst nicht zum Überwintern zerstreuen, sondern sich stattdessen direkt innerhalb der Elternkolonie vermehren. Inwiefern der Klimawandel in Zukunft auch in Europa solche Wespenvölker hervorbringen wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch, dass die durch den Menschen eingeschleppten Wespen in Neuseeland inzwischen ein ernstzunehmendes Problem darstellen und eine verheerende Wirkung auf die dortigen Ökosysteme haben. Zahlreiche neuseeländische Insekten- und auch Vogelarten wurden bereits von den europäischen Einwanderern zurückgedrängt. So wurde durch die Gemeine Wespe unter anderem auch der nur auf Neuseeland beheimatete Kaka, eine seltene, ohnehin bedrohte Papageienart, innerhalb weniger Jahre beinahe ausgerottet. Ursache hierfür ist die Konkurrenz um das zuckerhaltige Ausscheidungsprodukt (Honigtau) einer auf Neuseeland ebenfalls endemischen Schildlaus (Ultracoelostoma assimile). Diese kohlenhydratreiche Kost dient der Papageienart seit jeher als Nahrung ihrer Küken und seit einigen Jahrzehnten nun auch der Gemeinen Wespe.


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